Entstehung, Verbreitung und Bedeutung der Namen
Die Abfolge der Personen von uns vorangegangenen Ahnengenerationen kann nur erfasst werden, wenn deren Nach- oder Familienname bekannt ist. Die Namensforscher gehen davon aus, dass in Südwestdeutschland die Einführung der Nachnamen zwischen dem 11./12. Jahrhundert und etwa 1600 erfolgt ist: die Unterscheidung und Registrierung von Personen waren zuvor ohne diesen Zusatz immer weniger möglich. Bei der Namensgebung spielten dabei der Beruf (zum Beispiel Müller, Schneider, Gärtner, Winzer usw.), die regionale oder lokale Herkunft (Wiesner, Berger, Waldner, Busch usw.), aber auch besondere Eigenschaften (zum Beispiel Dürr, Lang, Herb usw.) von verwandten Vorfahren oder Dienstherren eine wesentliche Rolle. Die Deutung dessen, was vor allem bei den Eigenschaften ursprünglich gemeint war, ist allerdings bis zum heutigen Tag vor allem deshalb immer noch schwierig, weil sich die Schreibweise der Namen (nicht zuletzt bei der Eintragung in die Kirchenbücher) im Laufe der Jahrhunderte immer wieder geändert hat. Die Ursache dafür liegt meist darin, dass die zur Führung der Kirchenbücher verpflichteten Geistlichen in der Regel die Namen nach dem "Hörensagen" von Angehörigen eingetragen haben. So ist beispielsweise mein Familienname Duss zwischen dem 17. und dem Ende des 18. Jahrhunderts bei nachweisbar identischen Personen auf nicht weniger als 7 verschiedene Weisen in den Kirchenbüchern schriftlich festgehalten worden, nämlich als
Thuss, Doss, Dues, Duos, Düß, Duss und Duß.
Bei Einführung der Standesämter um 1875 wurde dann letzterer (mehr oder weniger willkürlich) als amtlich festgelegt. Da aber der Buchstab "ß" (nicht ohne Grund) nur noch in Deutschland gebräuchlich ist, führt dies bei Kontakten mit dem Ausland regelmäßig zu Irritationen: schriftliche Vermerke münden nicht selten in die seltsame Namensprägung "DuB", d. h. der Name endet mit dem großen Buchstaben "B". Meine Ausweisdokumente führen deshalb ergänzend stets noch die Schreibweise Duss. Bereits mein Vater hat sich wegen seiner beruflich nötigen Auslandskontakte nur noch dieser Schreibweise bedient. Ich selbst habe mich früh dem angeschlossen.
Nach den Ergebnissen eines Auftragsgutachtens kommt die Namensberatungsstelle der Universität Leipzig (2006) zu dem Schluss, dass die Familiennamen meiner Vorfahren Duss, Kull und Schifferle alle alemannischen Ursprungs sind. Als Alemannen (alle Menschen, alle Mannen) wurden seit etwa Mitte des dritten Jahrhunderts Angehörige einer Bevölkerungsgruppe bezeichnet, die sich aus Mitgliedern früher im Elbe-/Saale-Bereich lebender Germanenstämme sowie von diesen integrierten Bevölkerungsteilen (Kelten, römische Provinziale, entlaufene Sklaven usw.). zusammensetzten. Das Siedlungsgebiet der Alemannen reichte um 600 n. Chr. von den Vogesen im Westen, dem Alpenhauptkamm im Süden, dem Fluss Iller im Osten sowie einer gedachten Linie zwischen den Städten Rastatt und Crailsheim im nördlichen Teil Baden-Württembergs.
Nach überwiegender Auffassung der Namensforscher sind die Nachnamen unserer Vorfahren vor allem in den Regionen entstanden, in denen sie heute noch am häufigsten vorkommen. Nachdem um 2000 so gut wie alle Haushalte einen telefonischen Festnetzanschluss hatten, deren Inhaber über die Telefonbücher namentlich leicht erfasst werden konnten, war auch eine feingliedrige regionale Zuordnung von Familiennamen möglich geworden. Eine wertvolle Zusammenfassung einschlägiger Daten im früher alemannischen Siedlungsgebiet bieten die Internetadressen verwandt.de und verwandt.ch.
Die mit Abstand größte Häufung des Namens Duss findet sich danach in der Region Luzern/Entlebuch in der Zentralschweiz. Eine nennenswerte Anzahl von Namensträgern innerhalb Deutschlands gibt es im oberen Nagoldtal um die Stadt Neubulach und im Enzkreis. Im 17. Jahrhundert war das Dorf Effringen (Stadt Wildberg) ein Zentrum der Namensträger, von dem aus mit großer Sicherheit die Ausbreitung des Namens im Nordschwarzwald erfolgte. Meine Duss-Vorfahren stammen mit ziemlicher Sicherheit von dem um 1700 nach Langenalb (Gemeinde Straubenhardt) aus dem Nagoldtal zugezogenen Johann Georg Duss ab.
Der Name Kull ist ebenfalls relativ stark in der Schweiz vertreten, vor allem in den Regionen Zürich und Basel. In Deutschland gibt es eine Streuung des Namens auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Auffallend ist jedoch seine bemerkenswert hohe Konzentration im Nordwesten des Kreises Calw um die Kurstadt Bad Herrenalb. Eine nennenswerte Häufung des Namens kann aber auch noch im Kreis Esslingen, im Stadtkreis Stuttgart, im Kreis Ludwigsburg sowie im Enzkreis angetroffen werden. Stammvater der Kulls im Nordschwarzwald und mein erster (registrierter) Vorfahre ist der gegen Ende des 16. Jahrhunderts vom Herzog von Württemberg nach Wildbad entsandte Bürgermeister Hans Kull. Er kam aus Kemnat im heutigen Kreis Esslingen. Einer seiner Söhne und ein Enkelsohn (sie waren beide Zimmermann von Beruf) bauten zusammen mit einem Partner im Jahr 1651 unweit Herrenalb an der Mündung des Bernbachs in das Flüsschen Alb eine heute nicht mehr bestehende Mühle. Der Name des Bad Herrenalber Stadtteils Kullenmühle (siehe Abbildung 1) trägt diesem Vorhaben heute noch genauso Rechnung, wie die recht zahlreich anzutreffenden Bewohner mit dem Namen Kull in Bad Herrenalb und Umgebung (gemessen an den Telefonanschlüssen um 2005).
Der Nachname Schifferle findet sich heute noch mit Abstand am häufigsten in den katholisch dominierten Gemeinden Döttingen und Klingnau am Unterlauf der Aare (Kanton Aargau), d. h. in der Schweiz. Da im 17. Jahrhundert die Soldaten der Fürsten überwiegend noch als (auswärtige) Söldner rekrutiert wurden und dabei nicht selten aus der Schweiz kamen, holte sich der ebenfalls katholische Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden (genannt der "Türkenlouis") den Bauernburschen Joseph Schifferle gegen Ende des 17. Jahrhunderts aus einer dieser Gemeinden in seine Streitmacht. Inwieweit Joseph Schifferle an den Türkenkriegen auf dem Balkan beteiligt war, lässt sich nicht mehr ermitteln. Sehr wahrscheinlich war er aber an dem zwischen 1704 und 1707 errichteten Bau des sich von Dobel bis Karlsruhe-Knielingen erstreckenden Verteidigungswalls "Ettlinger Linie" (siehe Abbildung 2) beteiligt. Joseph Schifferle kam um 1711 - sehr wahrscheinlich aus Rücksicht auf seine evangelische Frau Helena – in das evangelische und württembergische Feldrennach (heute Gemeinde Straubenhardt) und wurde damit zum Stammvater der kleinen Schifferle-Sippe in diesem Bereich. Als Beruf Schifferles wird im Kirchenbuch von Feldrennach die Bezeichnung "ehem. Corporal bei den Baaden-Baadischen" angegeben. Feldrennach liegt nur wenige Kilometer von der Grenze zur damaligen Markgrafschaft Baden-Baden und vom Verteidigungswall "Ettlinger Linie" entfernt. "Stammvater" Joseph Schifferle starb am 23.04.1750 als verarmter Witwer im Bereich des damals noch bestehenden Klosters Frauenalb (heute Gemeinde Marxzell) im Alter von (geschätzt) 79 Jahren.
Abbildung 1: Bad Herrenalb mit Stadtteil Kullenmühle
Abbildung 2: Die Ettlinger Linie um 1708
Nach Auskunft der Namensberatungsstelle der Universität Leipzig (2006) ist der Familienname Duss auf den alemannischen Rufnamen Duso zurückzuführen. Dieser Rufname geht seinerseits auf Namen wie Tusold, Tushart, Thusolf oder Dußold zurück, die aus dem altgermanischen Begriff theuda (=Volk) abgeleitet sind. Der Name Duss ist demnach patronymischer Herkunft, d. h. der Vater oder ein anderer Verwandter des ersten Namensträgers bzw. ein Dienstherr hatte einen der genannten Vornamen. Mit einem dieser (Vor-)Namen könnte auch der Gründer der Gemeinde Dusslingen (in der Nähe von Tübingen) in Erscheinung getreten sein. Für die römisch-katholisch geprägte Zentralschweiz um Luzern ist nicht auszuschließen, dass der Familienname Duss des ersten Trägers bzw. dessen Vorfahren an den Namen eines Heiligen bzw. an dessen letzte Silbe angelehnt war, d. h. der Vorfahre hieß beispielsweise Bernhardus oder Hubertus.
Der Familienname Kull ist nach Auffassung der Namensberatungsstelle der Universität Leipzig (2006) auf den altgermanisch-alemannischen Rufnamen Kullo oder Kollo zurückzuführen. Dies bedeutet, dass der erste Namensträger Sohn oder Enkelsohn eines Vorfahren oder Leibeigener eines Dienstherrn mit diesem Rufnamen war. Das "O" am Ende des Familiennamens ist im Lauf der Jahrhunderte schlichtweg entfallen, wie aus einschlägigen Dokumenten Württembergs aus dem 15. Jahrhundert geschlossen werden kann.
Die Bedeutung des in der Schweiz besonders verbreiteten Namens Schifferle oder Schifferli (beide Nachnamen kommen vor!) ist nach Angaben der Namensforscher auf eine Eigenschaft der Vorfahren des ersten Namensträgers zurückzuführen: dieser Vorfahre war eine besonders "dünn gewachsene Person oder ein "Span". Nicht auszuschließen ist aber auch, dass dieser Vorfahre in der Nachbarschaft der Aare und des Rheins ein vergleichsweise "klein gewachsener Schiffsführer" gewesen ist.